Da Verätzungen an der Hornhaut in einer irreversiblen Erblindung enden können, zählen sie zu den schwerwiegendsten Notfällen in der Augenmedizin. Schnelles Handeln ist dabei immer essentiell.
Grundsätzlich gilt es dabei zwischen Laugenverätzungen und Säureverätzungen zu unterscheiden. Laugen können deutlich tiefer in das Auginnere vordringen und schädigen dabei oftmals neben der Hornhaut auch Linse und Iris.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Laugen begegnen uns im Alltag hauptsächlich in Putzmitteln und vor allem in handelsüblichen Abflussreinigern. Vor allem Maler und Arbeiter im Baugewerbe sind hochkonzentrierten Basen ausgesetzt, sei es im Verputz, im zu verarbeitendem Kalk oder in Farben. Säuren können im Haushalt beispielsweise in Form der Essigsäure an das Auge gelangen. Auch der Umgang mit Autobatterien oder bestimmten, säureproduzierenden Pflanzen stellt eine potentielle Säuregefahr dar.
Was passiert bei Verätzung der Hornhaut?
Lauge
Zunächst werden bei Kontakt der Hornhaut mit einer Lauge die Fette der Lipidschicht aufgelöst (verseift). Die darauf folgenden Eiweißstrukturen der Zellverbände werden zerstört, allen voran die Keratozyten (das sind die Zellen des Stromas). Als Folge der Verseifung sämtlicher Fettbestandteile der Hornhaut steigt der pH-Wert des Kammerwasser, was zu einer Linsentrübung führt. Häufig wird bei Laugenkontakt auch die Bindhaut angegriffen, wobei diese zum Schutz ihre Leukozyten frei setzt, welche eine Entzündungsreaktion hervorrufen. Gerade dann, wenn auch die Stammzellen der Hornhaut am Limbus (Übergang von Lederhaut zu Hornhaut) zerstört werden, ist eine Heilung der Cornea nicht mehr möglich.
Säure
Leichte bis mittelschwere Säureverätzungen verlaufen deutlich weniger gefährlich, als dies bei Laugen der Fall ist. Dies liegt daran, dass sich in der Hornhaut eine sogenannte Koagulationsnekrose bildet, die wie eine Barriere wirkt und so verhindert, dass die Verätzung auch tiefer liegendes Augengewebe beschädigt.
Symptome
Eine Verätzung ist immer sehr schmerzhaft, erzeugt starken Lidkrampf und setzt eine verstärkte Tränenbildung in Gang.
Bei einer leichten Verätzung bleiben die Stammzellen am Limbus, also der Übergangszone zwischen Hornhaut und Lederhaut, bestehen. Somit können sich die beschädigten äußeren Hornhautareale von selbst regenerieren. Die Lipidschicht wird bereits wenige Stunden nach der Verätzung wieder vollständig aufgebaut sein. Ist die Bowman-Membran verschon geblieben, so werden auch keinerlei Narben zurückbleiben, und die Sehfähigkeit wird zu 100% wieder hergestellt.
Bein einer schweren Verätzung werden die Stammzellen am Limbus beschädigt und zudem die Durchblutung über die Blutgefäße der Lederhaut unterbrochen. Die Bindehaut ist in diesem Stadium meist weiß und aufgequollen, das Auge selbst gerötet.
In der Regenerationsphase überwächst die Bindehaut die Reste der Hornhaut, was als Bindehautpannus bezeichnet wird. Das führ zu einer Trübung der Hornhaut und die visuelle Wahrnehmung beschränkt sich auf Hell-Dunkel-Sehen. Häufig verwachsen auch die beiden Bindehautpartien des Lides und des Augapfels miteinander (Symblepharon).
Erste Hilfe bei Verätzung der Augen
Um eine drohende Erblindung zu verhindern, ist schnelles und effektives Handeln entscheidend.
- Die Augen müssen ständig geöffnet sein. Das manuelle Aufhalten der Augenlider, im Idealfall durch eine zweite Person, ist notwendig.
- Über Augentropfen sollte eine lokale Beteubung durchgeführt werden, um den Lidkrampf zu lösen.
- Gründliches Spülen der Augen mit Wasser oder einer Pufferlösung. Auch kohlensäurehaltige Getränke wie Limo können verwendet werden, sofern es sich um eine Lauge handelt. Keinesfalls darf Milch verwendet werden! Dies würde bei Säuren die Barriere indirekt durchlässig machen.
- Bei Kalk sollten mögliches Splitter oder Partikel manuell aus dem Auge entfernt werden. Eventuell ist dabei das Ektroponieren (Umstülpen) der Augenlider erforderlich.
- Nach diesen Maßnahmen sollte sofort ein Facharzt für Augenheilkunde aufgesucht werden. Dort wird das Spülen erneut intensiviert. Zusätzlich werden Radikalfänger (Vitamin C), Antibiotika, Kortikosteroide sowie Atropin, allesamt in Tropfenform, mehrmals täglich in das Auge getropft.
Langfristige Therapien bei schweren Verätzungen
Halten sich die Schädigungen begrenzt auf den vorderen Augenabschnitt, so kann mit einer Spenderhornhaut (Keratoplastik) versucht werden, das vollständige Augenlicht wieder herzustellen.
Auch das ersetzen der zerstörten Stammzellen am Limbus durch eine Stammzellentransplantation vom anderen Auges des Patienten (oder einer anderen Person) ist möglich. Diese Stammzellen können dann den Aufbau einer neuen Hornhaut starten.
Die Überwachsene Bindehaut auf der Hornhaut wird operativ entfernt.
Tränenersatzmittel können das Fehlen der akzessorischen Tränendrüsen an der Bindehaut kompensieren.
Manchmal ist es auch möglich, eine Plastiklinse in die getrübte Hornhaut einzulassen. Die Sehqualität durch eine solche Keratoprothese ist in der Regel allerdings stark eingeschränkt.
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